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Tagesschau
11 ausrangierte Fenster
11 Fotos auf Lithfilm, Transparentpapier
Je 112 x 156 cm
1997/98

 
Die Installation „Tagesschau“ von Marcus Kiel besteht aus 11 alten Fenstern. Hinter den zum Teil bereits gesprungenen Scheiben sind die in Fensterformat vergrößerten Fotografien angebracht.
Sie entstammen Presseberichten der Magazine „Stern“ und „Spiegel“ zur so genannten Asylproblematik in Deutschland. Ihre Motive zeigen Asylsuchende in der Situation von Opfern, obdachlos, ohne intakte Unterkunft oder die Portraits von ermordeten. Die Fenster, zuerst in der städtischen Galerie die welle in Iserlohn 1998 präsentiert, umschließen einen Bereich des Ausstellungsraumes und bilden so eine zweigeteilte Raumsituation. Zunächst von außen betrachtet, treten aus verschiedenen Blickrichtungen die verschiedenen Motive in den Mittelpunkt des Interesses.

Die Menschen darauf erscheinen so als Individuen mit jener je eigenen, sowohl hier in Deutschland, als auch in ihrer Heimat bekannt problematischen Geschichte und Gegenwart. Die Fenster funktionieren hier wie zuvor an einer Hausfassade als eine erste Kontaktstelle zwischen innen und außen. Als Blickfänger verweisen sie auf das , was hinter ihnen liegt. Üblicherweise markieren Fenster jedoch zugleich die Grenze zwischen beiden Bereichen, dem privaten und dem öffentlichen Raum und analog dazu in der Installation Kiels die Grenze zwischen dem Innenraum des Kunstwerkes und dessen Umgebung.

Sich an den Fenstern vorbei in den umstellten Bezirk zu begeben, erfordert eine gewisse Überwindung und Vorsicht als Resultat der dem Kunstwerk entgegengebrachten Achtung. Offenbar wird im wirklichen Leben, außerhalb eines Museums, ein Haus als Schutz- und Lebensraums nicht in gleicher Weise geachtet. Zersprungene Scheiben sind das Ergebnis einer gewaltsamen Überschreitung dieser Grenze und in „Tagesschau“ Sinnbild für die Missachtung ausländischer Menschen in Deutschland. Auch, wenn das Medieninteresse an diesem Thema seit 1993 nahezu erloschen ist, zeigen zum Beispiel die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt, dass das Potential rechtsradikalen Gedankengutes zur Zeit mächtiger zum Tragen kommt, als dies hier lange der Fall war. Die Aktualität dieser Problematik hat für Marcus Kiel nie nachgelassen, seitdem er sich erstmals 1993 mit der Arbeit „Hoyerswerda“ damit künstlerisch auseinandergesetzt hat.

Um den Abstand zwischen dem problemfreien Raum Museum und alltäglicher Lebenswirklichkeit zu überbrücken, nimmt die Installation „Tagesschau“ mit ihrem transparenten Fotopapier die Schwankungen des Tageslichtes in ihren formalästhetischen Bestand auf und verortet sich auf diese Weise im Hier und Jetzt des Besuchers. Die vom Kunstwerk ausgelöste Diskussion kann sich nicht mehr auf Vorfälle in der Vergangenheit oder am anderen Ende der Welt zurückziehen, sondern muss sich der gesellschaftspolitischen Situation vor Ort stellen.

Kai Brückner
 

 
 
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